Stille Ecken

Vor 3 Wochen fuhr ich am Morgen mit der U-Bahn in Hamburg und lächelte die Menschen an, die mich anschauten. Sie schauten immer weg. Schauten mich dann auch nie wieder an. Vor einigen Tagen war ich mit Anja unterwegs und sagte es gebe immer weniger schöne Menschen, aber nicht, weil sie nicht gut aussehen, sondern weil die Augen immer trauriger und leerer werden, gehetzt und müde. Und letzten Sonntag führ ich eine Stunde mit der S- Bahn von Potsdam bis Berlin Warschauer Straße, dann lief ich nach Kreuzberg. Wenn ich unterwegs bin, suche ich mir manchmal diese Bank mit den 3 Sitzen in der Mitte des Zuges aus, um gut sehen zu können. Ich saß noch nicht ganz, als ich das erste Mal nach Geld gefragt wurde. Vielleicht liegt es an der Vergangenheit, an meiner, dass ich das schlechte Gewissen nie loswerde, wenn ich auf den Boden schaue, wenn sie reden. Sie riechen stärker, fiel mir auf, aber es wurde ja auch warm. Laut redend betritt eine japanische Reisegruppe die S-Bahn. Sie setzen sich in meinen Blickwinkel, nah fast zu nah. Einer neben mir. Am Ende des Wagens sehe ich den zweiten Bettler. Ich bin gespannt. Einer der Reisegruppe weist die anderen auf den Bettler hin, jeder der Reisegruppe starrt auf sein Handy und zu Boden als der vor uns steht und spricht. Ich gebe ihm einen Euro und schaue in so leere Augen, die bestimmt einmal von einem wunderschönen blau waren. Die japanische Reisegruppe schaut von den Handys auf und mich an und ich schau in jedes dieser Augenpaare und keines strahlte, manche fragend, andere abwesend. 2 Stationen weiter kam je ein Bettler von jeder Seite, entsetzen in den japanischen Augen, aber auch in all den anderen die ich sehen konnte. Dieses: „Nicht schon wieder“. Beide bleiben stehen, schauen sich an keiner will dem anderen im Weg sein. Sie steigen beide aus. Eine junge Frau, vielleicht 20 Jahre hat Augen, die waren so tief und traurig, ich musste vorsichtig schauen, sie mied jeden Augenkontakt, mit jedem. Eine Frau erzählte ihrem Mann mit großen Augen von ihrem Tag. Der Freund schaute aus dem Fenster. Warschauer Straße waren es dann 11 Bettler gewesen. Zur schlesischen Brücke zu Fuß, zu Fuß nach Kreuzberg, die Brücke voller Obdachloser. Viel sind es geworden, viel zu viel. Es regnet leicht, noch über diese Straße und dann ins „Lido“. Es dauert eine Weile, bis ich endlich in viele strahlende Augen sehe, es freut mich. Stehe ganz hinten, in einer stillen Ecke und erlebe „Still Corners“ live. Spätestens beim 3 Lied ( „Black Lagoon“)merke ich das sich mein Körper bewegt und ich kann nichts dagegen tun. Es geht vielen so und die Augen, die ich sehe, sind alle auf einer Reise und zufrieden. Einen Augenblick denke ich an den Regen, denke an die Bettler, der Körper bewegt sich etwas schneller. Ich kann die Welt nicht retten, kann sie nicht retten. Aber vielleicht ein bisschen, wenn meine Augen strahlen, wenn andere verzweifeln.